
Am 6. September 2021 war es endlich so weit: der Tag der Abreise nach Neapel. Für neun Monate werde ich in Torre del Greco, einer Vorstadt Neapels, leben und arbeiten. Da ich schon fünf Monate im Voraus für mein Projekt angenommen wurde, hatte ich genug Zeit gehabt, alle Informationen, die ich über Neapel finden konnte aufzusaugen, und mir den Kopf über alles, was irgendwie schief gehen könnte, zu zerbrechen. Wird mich die Mafia direkt nach meiner Ankunft ausrauben? Werde ich eines Tages von Archäologen ausgebuddelt werden, weil der Vesuv ausgebrochen ist? Diese Sorgen präsentierte ich auf Nachfrage auch Andrea, meinem Projektleiter, der mich vom Flughafen abholte. Doch er konnte mich beruhigen: die Mafia sei nicht mehr so präsent wie früher, und für Freiwillige wie mich sowieso ungefährlich. Nur der Vesuv sei natürlich eine andauernde Gefahr, allerdings „schlafe“ er momentan.
Ich lebe zusammen mit meiner spanischen Mitbewohnerin Carol im Zentrum Torre del Grecos. Wir wohnen in einem großen Appartement, welches wir uns jedoch ab Januar mit weiteren vier Freiwilligen teilen werden. Von meiner Wohnung aus ist ein Supermarkt, der Bahnhof und das Meer in fünf bis zehn Minuten zu erreichen. Auch meiner Leidenschaft für das Tanzen kann ich hier weiter nachgehen. Bevor ich hierherkam, habe ich mich bereits bei einer Tanzschule angemeldet, welche nur fünf Minuten von meinem Appartement entfernt ist.
Meine erste Woche
An meinem zweiten Abend in der neuen Heimat hat Andrea Carol und mich in eine Pizzeria eingeladen, wo wir einige seiner Bekannten kennenlernen konnten, welche alle in unserem Alter sind. Somit hatten wir von Anfang an Kontakt zu den Locals. Nach dem Abendessen folgte eine spontane Spritztour mit den neuen Bekanntschaften zu einer Bar auf dem Vesuv, von der man einen fantastischen Blick über den Golf von Neapel hat. Bei dieser Autofahrt bekam ich auch direkt schonmal einen Vorgeschmack des italienischen Fahrstils. Was sich damals noch wie Autoscooter fahren in Reallife angefühlt hat, wird für mich inzwischen immer normaler und ich weiß, dass die Italiener ihr Auto im Griff haben.
In unserer ersten Woche hatten wir außerdem Zeit, mit unseren neuen Freunden in das warme Meer Sorrentos zu springen und von ihnen das neapolitanische Nachtleben sowie ihren Freundeskreis vorgestellt zu bekommen. Was mir direkt als einen großen Unterscheid zu Deutschland auffiel, war die enorme Offenheit und Herzlichkeit der Süditaliener, die mir sofort das Gefühl gaben, willkommen zu sein. Eine weitere gute Sache ist, dass ich quasi gezwungen bin, Italienisch zu lernen, da viele Italiener kaum Englisch sprechen können. Da hat meine Mitbewohnerin einen erheblichen Vorteil, da sie wegen der Ähnlichkeit zur spanischen Sprache fast alles verstehen kann, und auch in ihrer Muttersprache meist verstanden wird. Wenn die Menschen aber nicht gerade Neapolitanisch, den regionalen Dialekt, sprechen, welcher gefühlt eine andere Sprache ist, kann ich oft vieles verstehen.
Jugendaustausch
Nach einer Woche begann dann das erste Projekt, und zwar ein Jugendaustausch. Junge Leute im Alter von 18 bis ca. 25 Jahren aus Estland, Rumänien, Slowenien, Spanien und Italien kamen für neun Tage in einem Hotel am Meer in Torre del Greco zusammen. Das Thema des Austauschs war Businessgründung als junge Person. Neben anfangs vielen Kennenlernspielen und später kleinen Seminaren und Gruppenarbeiten gab es abends immer eine kulturelle Nacht, in der die verschiedenen Länderteams ihre Kultur, z.B. Volkstänze, Lieder und natürlich Essen vorgestellt haben. Das war für mich besonders interessant, da ich auf diesem Weg die vielseitige Kultur dieser Länder kennengelernt habe, über die ich häufig noch nicht viel wusste. Unser Job war die Mitorganisation des Austauschs sowie die Durchführung der täglichen „Energizers“, bei denen wir die Gruppe durch kleine Spiele in Bewegung bringen sollten. Mit der Zeit kristallisierte sich aber immer mehr heraus, dass ich meine Liebe zur Fotografie sinnvoll nutzen konnte, indem ich den Austausch fotografisch dokumentierte und anschließend auf Instagram veröffentlichte.
An einem freien Tag haben einige Teilnehmer, Carol und ich Neapel erkundet. Zum Glück gab es einen neapolitanischen Teilnehmer, der uns als Einheimischer durch Neapel führte. Was ein entspanntes Schlendern durch die Stadt werden sollte, artete letztendlich in einen 14 km Marsch aus, der sich im Endeffekt allerdings gelohnt hatte.
Hobbies
In der Zwischenzeit hatte auch mein Tanztraining begonnen. Auch hier hatte ich wieder das Gefühl, mit offenen Armen empfangen zu werden. Insgesamt fünf Stunden in der Woche nehme ich jetzt an Kursen für klassischen und modernen Tanz teil. Obwohl der Unterricht natürlich ausschließlich auf Italienisch stattfindet, kann ich mir trotzdem das meiste aus dem Kontext erschließen. Und wenn ich mal etwas nicht verstehe, sind alle Gruppenmitglieder bemüht, den Inhalt auf Englisch zu übersetzen. Ich denke, dass ein Kurs wie dieser eine perfekte Möglichkeit ist, um sich zu integrieren und die Sprache noch schneller zu lernen
Suppenküche
Seit kurzem hat jetzt unsere Arbeit in der Suppenküche der Caritas begonnen. Unsere Aufgabe ist es momentan, die Lunchpakete für bedürftige Menschen zusammenzustellen und anschließend an sie auszugeben. Die Mitarbeitenden sowie die Gäste sind sehr freundlich und hilfsbereit.
Ich bin gespannt, was noch auf mich zukommen wird. Zum Beispiel werden wir zusätzlich in einer Art Jugendzentrum arbeiten, und verschiedene Fremdsprachenangebote und Informationen zu europäischen Programmen anbieten. Alles in allem bin ich hier unten im warmen Süden sehr glücklich mit meiner netten Organisation, meiner Mitbewohnerin und meinen Aufgaben.